Gsöll Walter sen., 1939 - 2021
Das folgende Portrait wurde im Jahr 2011 von Joe Wagner (Webermichl) erstellt und wegen des Ablebens von Walter Gsöll am 24. Juli 2021 hier zur Verfügung gestellt.
Mopedvirus
Walter Gsöll Senior („Baujahr“ 1939) hat 1956 in einer Gruppe von sechs bis zehn gleichaltrigen Burschen begonnen die Straßen der Umgebung von Wr. Neustadt mit einer Puch MV 50 unsicher zu machen. Bald war es ihnen auf der Straße zu langweilig, so suchte man im Gelände neue Herausforderungen:
Waldwege, Mulden und schräge Wiesen, auch wenn sie feucht waren, befuhr man stundenlang. Was Walter mit seinen Freunden da machte war eher Moto Cross als Trial, aber mit der Zeit entwickelten die Burschen ein Gefühl im „Popometer“, so dass nach und nach auch sturzfreie Tage möglich waren. Bald nahm man an verschiedenen Motorradsport-Veranstaltungen teil.
Österreichrundfahrt
Der ARBÖ veranstaltete vom 31 Mai bis zum 2. Juni 1956 eine Österreichrundfahrt.
Die Teilnehmer starteten zur gleichen Zeit in Wien, Linz, Salzburg, Klagenfurt und in Graz. Walter startete in Wien, kam aber leider nur bis zum Großglockner wo er mit seinem Moped (durch starken Regen) Zündungsprobleme bekam. Schiebend und teilweise tretend wie beim Fahrrad erreichte er den Bahnhof in Zell am See und fuhr, das Moped verladen, mit dem Zug nach Wr. Neustadt zurück. Sein erster Ausfall.
Erste Bewerbe
Immer öfter gab es Moped-Motocross oder Wertungsfahrten am Wochenende.
Steil bergauf ging es mit den 1,4 PS der Puch nur mit Schwung.
Erste Trialbewerbe
Walter erinnert sich daran, schon 1956 den ersten Bewerb nach Trialregeln teilgenommen zu haben. Genau weiß er aber nicht mehr, wo das war. Eines weiß er sicher noch: Es war eher ein Zufall, denn er hatte eigentlich noch keine Ahnung was Trial ist. Er wusste nur, dass es sich um einen Motorrad-Bewerb handelte, also nichts wie hin! Man fuhr natürlich zur Veranstaltung hin, fuhr den Bewerb und dann wieder nach Hause - alles mit dem Wettbewerbs-Fahrzeug. Und am Montag fuhr man damit wieder zur Arbeit - also waren Modifikationen nur im engsten Rahmen möglich.
An Reifen verwendete man, was man hatte. Es gab Leute, die mit normalen Straßenreifen Moto Cross Läufe gewannen.
Lilienfeldtrial 1958
So musste 1958 ein neues, stärkeres Motorrad her. Walter kaufte sich eine KTM 125 Mustang. Das war damals ein super Motorrad, sagt Walter heute darüber. Jetzt beginnt die Zeit, aus der es bereits Belege für Walters Teilnahme an Trials gibt.
Zeitungsausschnitt vom 14.9.1958:
Der Österreichische Motorfahrerverband führte gestern anstatt seines traditionellen Traisner Rupert-Hollaus-Gedächtnis-Moto-Cross in Hof am Leithagebirge ein Trial für einspurige Fahrzeuge nach englischem Muster durch.
Auf einem 800 Meter langen, fünfmal zu durchfahrenden Rundkurs waren fünf mit schweren Hindernissen und Slalomflaggen gespickte Prüfungsstrecken (Sektionen) abgesteckt. Für jede Unsicherheit, wie ein-oder mehrmaliges Berühren des Bodens mit dem Fuß, Stillstand der Räder oder gar Sturz wurden Schlechtpunkte vergeben. Von 62 Startern gelang es in jeder Klasse nur dem Sieger, strafpunktefrei über den Kurs zu kommen. Bei den Motorrädern glückte diese Prachtleistung dem Motocross-Crack Pruckner, der seine BSA in blendendem Stil durch die Sektionen brachte.
Ergebnis - Motorräder:
1. Pruckner (0 Schlechtnunkte), 2. Gsöll (1), 3. H. Berger (4).
Ergebnis - Mopeds:
1. Schnedl (0 Schlechtpunkte), 2. Sulka (1), Mylius (3).
Alle Motorradbewerbe in Umgebung
In Walters chronologisch geordneten Fotoalbum gibt es im Abschnitt zwischen 1958 und 1963 eine große Zahl von Fotos von verschiedensten Veranstaltungen die er alle mit seiner KTM bestritt. Ich habe nur die besten Fotos aus dem Album gescannt, und gebe hier die Titel einiger Fotos wieder:
- Alpenfahrt 1958,
- Eisenstädter Bergwertungsfahrt, 30. März 1958,
- Wintertourenfahrt 1958
- Berg und Geländewertungsfahrt am 23. 9. 1961,
- Moto Cross 1961, Internationale Alpenfahrt 1963 im Bundesheer-Team
Familie im Vordergrund
1962 verkaufte Walter Gsöll seine KTM 125 Mustang, denn nun begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Durch die Familiengründung, sein Sohn Walter jun. kam 1963 auf die Welt, war nun Motorradpause bis 1970. Ausnahmen gab es aber auch in dieser Zeit: 1963 nahm Walter an der internationalen Alpenfahrt als Mitglied der Heeresmannschaft teil. Offensichtlich machte er dabei eine glänzende Figur, denn bald wurde er beim Heer Fahrschullehrer für Motorradfahrer.
Die Zeit des Junior
1970 kaufte Walter sich wieder eine alte KTM und bastelte daran mehr - oder weniger erfolgreich herum. 1973 kaufte er eine Puch VZ 50, 3 Gang und baute daraus ein Trialgerät für seinen Sohn. Nebenbei war auch noch eine KTM 125 Enduro in Gebrauch. Später fuhr sein Sohn aber auch mit der vorher genannten Bastel-KTM. Von 1977 bis 1987 findet man in diversen Berichten von Trialveranstaltungen den Namen Walter Gsöll meist doppelt. Da steht zwar meist dabei Junior und Senior zur Unterscheidung dabei, aber Eingeweihte wissen ohnehin, dass es fast immer so war, dass der Junior im Ergebnis vor dem Senior lag. 1987 beendete Walter Gsöll Junior seine Trial Karriere, um sich auf seinen Beruf zu konzentrieren, in dem er bis heute sehr erfolgreich ist.
Die Liebe zu den Motorrädern
Immer wieder bevölkerte eine bunte Schar von Zweirädern Walters Garage. Von den ersten Puch Zeiten zur KTM 125, wieder KTM, wieder Puch und dann der Moment, in dem die erste spanische Vollblut Trial von Bultaco erworben wurde. Aber da ging es erst richtig los! Nach der Bultaco übernahm die Marke Fantic die Vorherrschaft in Walters Garage. Zeitweise waren es gleich mehrere zugleich.
Puch-Projekte
In den 90er Jahren hatte Walter dann seine zweite Puch-Ära. Es wurden alte Puch-Motorräder und Mopeds repariert oder zu Trials umgebaut. Daneben immer wieder Sammeln, was die Brieftasche zulässt.
Motorrad-Bau Gsöll
In den letzten Jahren machte Walter den Schritt zum Motorrad-Bauer. Nach einigen Puch Experimenten, baute er noch eine Aprilia mit Yamaha Viertakt Motor, und eine Moto Guzzi Stornello 160 zu einem wunderschönen Trial Motorrad umgekrempelt.
Quelle: Archiv Webermichl.at, Joe Wagner (2011). Mit freundlicher Genehmigung.
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