Mit dem Omnibus nach Sarisap
Bericht zum ungarischen Lauf in Sarisap, 2.4.2022
Im Jahr 2008 fand mein letzter Trialbesuch in Ungarn statt. Ich erinnere mich an ein Trial auf ebener Wiese, einer handvoll Teilnehmer und viel einer äußerst familiären Atmosphäre. Der österreichischen Szene sind einige ungarische Fahrer bekannt. Waren es früher Ferenc Szelei oder Tibor Lenner, so fällt heute Czsiamzia Barnabas immer wieder mit bärenstarken Leistungen auch in Österreich auf. Seit zwei oder drei Jahren waren neue Aktivitäten in der Trialszene in Ungarn bemerkbar. Im Vorjahr wurde eine eine eigene „Klassik“-Wertung eingeführt. Sogar ein eigener Klassik-Bewerb wurde im neu entstandenen Trialpark Sarisap durchgeführt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war für mich klar: „Das muß ich mir ansehen!“
In diesem Jahr war es soweit. Ein paar Emails später war klar: Das würde ein Fall für die altbewährte Fahrgemeinschaft mit Erich Diestinger. Mit vier Startern würde auch mein Heimclub, das Trial Team Turner vertreten sein. Der VW Bus von Erich bot ausreichend Platz für meinen persönlichen „Omnibus“, einer Norton T6. Nach einigen Wartungsarbeiten kurz zuvor war Sarisap eine perfekte Gelegenheit, die Norton noch einmal ausgiebig zu testen, bevor es kurz danach nach Caglio zum anspruchsvollen italienischen Klassiktrial gehen würde.
Höhenflug
Ja, man kann durchaus sagen, dass die ungarische Trialszene wiederbelebt wurde. Mit Török János fand der ungarische Motosportverband (MAMS) den idealen Trialverantwortlichen. Vom E-Trial für Kinder bis zum Klassik-Trial für über Siebzigjährige wird der Trialsport breitfächrig verstanden und angeboten. Die Trialmeisterschaft ist in vier Spuren abgestuft und wird in beachtlichem Leistungsniveau ausgeführt. Am 2.4.2022 fand der Auftakt für die diesjährige Meisterschaft im neu geschaffenen Trialpark in Sarisap statt.
Sarisap ist eine 3000 Einwohnergemeinde in der Nähe von Budapest. Aus Österreich reist man bequem über Autobahn M1 Richtung Budapest an. Ca. 55 km vor der ungarischen Hauptstadt verläßt man bei Tatabanya die Autobahn. Über eine Landstraße erreicht man Sarisap nach 34 km in ca. 35 min. An der Kreuzung mitten im Ort zeigen gut sichtbare Wegweiser, dass es nach rechts zum Trial geht. Nur mehr zwei Kilometer sind es zum Trialpark. Die umliegende Landschaft ist hügelig. Wer die ungarische Tiefebene erwartete wird überrascht sein. Schon aus einiger Distanz sind die Förderbänder des ehemaligen Kaolinwerkes zu sehen wo sich heute der Trialpark befindet.
Die Handschrift einer MAMS-Veranstaltung war schon bei der Anfahrt bemerkbar. Ein separat ausgewiesener Parkplatz für Besucher war klar abgetrennt vom großzügigen und eben gelegenen Fahrerlager, der auch für Camper gut geeignet wäre. Erich und ich haben Erfahrung mit den organisatorischen Abläufen einer Veranstaltung. Daher kümmerten wir uns sofort nach Ankunft um die Nennung. Im Fahrerlager trafen wir auf Georg Ortner, dem ungarisch sprechenden Trialaktiven aus Österreich. Hilfsbereit lotst er unseren Blindflug durch die ungarischen Formulare und Formalitäten. Ausländische Tagesfahrer brauchen eine Bestätigung eines ungarischen Arztes, der vor Ort anwesend war und die € 20,- kostet. Das Tagesnenngeld kostet € 30,- und beinhaltet auch ein Essen für den Teilnehmer. Nach der Vorbereitung von Motorrad und Fahrer ging es im Start/Ziel-Bereich zur technischen Abnahme. Fachkundig kannte man sogar die technischen Eigenheiten eines Motorrades aus 1949. Danach ging es weiter zur Besichtigung des Geländes.
Ein Schotterweg führt einen Berghang hinauf. In drei seitlich gelegenen Plateaus waren insgesamt sieben Sektionen platziert. Der Gelände ermöglicht an jedem Sektionsplatz vier Spuren für die ungarische Meisterschaft zu stecken. Gefahren wurde ausschließlich in Natursektionen. Die Gruppe vom Trial Team Turner starteten in den Spuren gelb, blau und rot. Alle bestätigten den Eindruck, den auch ich von der weißen Spur hatte: sehr anspruchsvoll!
Anspruchsvoll
Alleine die Besichtigung der Sektion 1 nötigte mir einigen Respekt ab. Gleich nach der Einfahrt ging es über Steinquader. Nach einer kurz bemessenen Landezone führten ein paar Kurven über einen Hügel und nach einer steilen Abfahrt ging es wieder über eine starrahmenunfreundliche Steinansammlung. Rasch war klar, es gäbe keine Omnibus-Spur extra für mich. Hier wurde auch in der weißen Spur schon richtig Trial gefahren! Also lasse ich es lieber drauf ankommen und verzichte auf eine weitere Besichtigung und mache mich nach der langen Winterpause wieder etwas mit den Eigenheiten des Schwergewichts unter meinen Füßen im freien Gelände etwas vertraut.
Die Fahrerbesprechung dauerte nicht lange. Georg Ortner fasste kurz zusammen: Es gäbe sieben Sektionen in drei Runden. Auf der Zwischenstrecke wäre auf Gegenverkehr und Zuseher zu achten. Das Tempo sei also unbedingt moderat zu halten. Die Sektionswahl war frei wählbar. Nach der Ausgabe der Punktekarten gingen 60 Teilnehmer (Rekord!) an den Start. Die freie Sektionswahl verteilte das Starterfeld von Beginn weg gleichmäßig auf das Gelände, so blieben die Wartezeiten vor den Sektionen äußerst kurz.
Abwechslungsreich
Neben der Sektion 1 blieb mir die die Sektions 3 in Errinnerung. Hier fühlte sich eine seitliche Abkipp-Kurve mit dem 130kg-Moped ohne Griff zur Kupplung einigermaßen bedrohlich an. Dafür zeigte in der ersten Runde der feuchte Lehmboden in einer Kehrenkombination seine Giftzähne. Drei Punkte durften hier anfangs als Erfolg bezeichnet werden.
Und da war noch die Sektion 5, die sich für mich wie das Schlaraffenland anfühlte! Schön ins Gelände gebaut mit netten Kurven und mit einer kernigen Auffahrt. Endlich: Vorzündung nach vor und den Motor richtig plärren lassen. Was der Langhuber auch pflichtbewußt, begleitet mit einigen Knallern erledigte. Momente wie diese rechtfertigen die Plagerei des restlichen Tages!
Auch wenn niemand bewußt darauf geachtet haben wird: Alle Sektionen waren sogar mit einem Omnibus wie meiner Norton kupplungsfrei befahrbar. Nicht nur die Teilnehmer fuhren hier ein anspruchsvolles Niveau, auch die Sektionsbauer arbeiteten in hoher Qualität!
Punkterichter/Innen: Top!
Herausragend war auch die Leistung der anwesenden Punkterichter. Jede Sektion war mit einem Punkterichter besetzt. Werten, Zeitnehmen und Punktekartenzwicken lagen in einer Hand. So war die Punkterichterin in Sektion 1 dazu gezwungen allen Teilnehmern über die komplette Sektionslänge nachzulaufen. Die Sektion führte rund um einen kleinen Hügel, der auch kein Abkürzen ermöglichte. Da kamen im Laufe des Tages einige Laufkilometer zusammen. Dennoch wurde die Leistung jedes Teilnehmers mit einem freundlichen Lächeln quittiert. Zum Glück machte das entspannte Teilnehmerfeld die Arbeit der Wertungsrichter einfach. Ich nahm keinerlei Diskussionen oder sonstige Probleme zwischen Teilnehmer und Punkterichter wahr! Sehr sympatisch!
Viele Sprachen, eine Leidenschaft
Anhand von kleinen, scheinbar vollkommen unbedeutsamen Erlebnisse kann Großes am besten beschrieben werden:
Vor einer Sektion kam ein Teilnehmer direkt auf mich zu erzählte mir in einem emotionsgeladenen Wortschwall in ungarischer Sprache von seinem Mißgeschick in der vorigen Sektion. Bei einem Teleskopfuß über das Absperrband hinweg, verhedderte sich beim Einziehen seines Rettungsankers das Band mit seinem Stiefel und in weiterer Folge mit dem Motorrad, bis es letztendlich riss. Fünf extrem ärgerliche Punkte. Abgesehen von „Hallo“, „Bitte“und „Danke“ beherrsche ich kein Wort ungarisch, dennoch verstand ich haarscharf genau was passierte und litt mit dem Kollegen mit.
ungarische Meisterschaft
Obwohl es eine separate Klassik-Wertung gibt, muss jedem Teilnehmer klar sein, dass es sich um einen Lauf zur ungarischen Meisterschaft handelte. Die Sektionsbauer mußten primär in modernen Maßstäben denken. Die üblichen Teilnehmer waren bekannt und für dieses Niveau wurde gesteckt. Das war und ist gut und richtig so. Das galt für alle Spuren. Dennoch oder gerade deshalb war ich angenehm überrascht, wie gut die Sektionen in meiner Klasse auch mit meinem prähistorischen Dampfhammer befahrbar waren.
Es wäre Unrecht, würde ein Meisterschaftslauf anhand der leichtesten, weißen Spur beurteilt werden. Doch die Gespräche mit den teilnehmenden Kollegen vom Trial Team Turner bestätigten meine Eindrücke für alle Spuren: Anspruchsvolles Sektionsniveau, familiäre Atmosphäre und äußerst entspannte und gastfreundiche Veranstalter.
immer eine Reise wert!
So kannte ich die Trialszene in Ungarn aus der Vergangenheit. So nehme ich den Trialsport in Ungarn auch heute wahr! Mit Janos Török und seinen Helfern wird ein sehr guter Weg beschritten. Ein Besuch einer Veranstaltung ist durchaus eine Reise wert!
Und wie war das mit dem Ergebnis? Die Norton lief einwandfrei. Sie kam heil zurück. Auch der Fahrer beendete den Bewerb unbeschadet und wurde auch nicht Letzter. Alle gesetzten Ziele wurden erreicht!
Infos:
Fotogallerie, Fotos Erich Diestinger
Text: Alfred, April 2022, Fotos: Erich Diestinger, Alfred