Eine Vorweihnachtsgeschichte
von Max Hengl
Zufällig
Bei der Suche nach alten Unterlagen stieß ich auf meine Diasammlung aus den 1970ern und Anfang der 1980er Jahre. Von 1973 an hatte ich den Trialsport so intensiv wie kaum ein anderer betrieben. (Doch das ist eine eigene Geschichte.)
Im Herbst 1980 hatte ich einen schweren Unfall mit einer Enduromaschine. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Meine (mittelmäßige) aktive Trialkarriere wurde dabei jäh beendet. Ich bin zwar genau ein Jahr nach meinem Unfall wieder auf meiner Honda TL250 (so eine wie sie Peter "Snoopy" Satzinger aktuell im A-Cup einsetzt) gestanden. Mit einem selbstgefertigten Stiefel mit Stahlsohle und einem Förderbandgummi habe ich nach meiner Erinnerung sogar wieder an einem Bewerb teilgenommen. Aber das große Feuer war nur mehr am Flackern.
Da habe ich mich auf die Fotografie gestürzt. Die Dia-Fotografie hatte es mir besonders angetan. Ich war ausgerüstet wie ein Profi: mit Canon A1, Canon F1 und vor Allem dem Novoflex Schnellschusstele mit 300/600/1200… mm Brennweite (was man so alles mit genügend Konvertern hinbekommt).
altes Hightech
Da lagen diese Dias nun vor mir. Natürlich war der Wunsch sehr groß, diese wieder einmal angemessen anzusehen: auf einer Leinwand oder im Computer. So ein Dia ist winzig und misst lediglich 24x36mm. Die Menschen drauf sind noch winziger, da gehört eine ordentliche Vergrößerung her, um diese in voller Lebensgröße zu sehen. Nun, ein Diaprojektor war schnell gefunden. Und das nach fast 30 Jahren! Wer will da noch sagen, ich sei schlampig? Doch leider gab es kein Bild, die Lampe war kaputt. Auch ein zweiter Projektor blieb finster. Ich mußte in den 1980er Jahren wohl einen riesigen Anhänger gehabt haben (die Geschichte scheint sich zu wiederholen), so gut war ich damals ausgestattet: Es fand sich ein dritter Diaprojektor (der war damals für Überblendungen im Einsatz). Wo kurz zuvor noch ein Beamer Playstationaction meines Sohnes Bernie an die Wand projizierte, waren nun über 30 Jahre alte Fotos zu sehen, begleitet vom vertrauten Klickgeräusches des Projektors beim Dia-Wechsel.
Fast Tränen
Mir kamen fast die Tränen, als ich meine alten Kumpels auf ihren Trial- Motorrädern wieder sehen konnte. Zu sehen waren Sie nicht auf Oldtimern, sonder das war der letzte Schrei, das Modernste das es damals gab. Die Sektionen waren ein Hammer. Absolut WM-tauglich, auch bei österreichischen Veranstaltungen. In einer damaligen Ausschreibung habe ich gelesen, „die Sektionen sind außerordentlich schwer“ oder so ähnlich. Solche Ankündigungen waren damals die beste Werbung für eine Trialveranstaltung. (Doch das ist eine eigene Geschichte).
Oder kamen mir die Tränen deshalb, weil die Bilder nicht ganz meinen Qualitätsvorstellungen entsprachen? Meine Fotos waren und sind möglichst perfekt, scharf, richtig belichtet und mit einer großen Tiefenschärfe. Man muss ja auch einmal anfangen und da darf mal schon etwas weniger perfekt sein. Doch für damalige Verhältnisse sind sie eh ganz gut. Die Tränen waren rasch weggewischt. In Windeseile wurde ein Dia-Scanner gefunden, installiert und wie die ersten Dias gescannt. 5 Stück pro Scan, brauchen ca. 3 Minuten und dann geht es ab in Photoshop. Ist doch ganz gut, die moderne Computerei. Die ermöglicht auch alten Bildern ein herzeigbares Äußeres.
Experten-Ping-Pong
Doch rasch stellte sich die Frage: "wer waren eigentlich die verwegenen Reiter moderner Oldtimer?", oder "Wann war denn genau diese oder jene Veranstaltung?"
Die Ergebnisse, zumindest die der WM-Läufe, findet man ja unter www.trialonline.org in einer gigantischen Datenbank, von Charly Demathieu, einem belgischen Wunderwuzzi in diesen Dingen. Er hat -so nebenbei- den „Minder“ erfunden und niemand geringerem als Eddy Lejeune als erster Minder unterstützt. Ein freundschaftlicher Email-Austausch, Trialhistoriker unter sich war gleich hergestellt. Dennoch blieb die Frage offen, wer waren diese Helden aus der Vergangenheit?
Wenn man selber nicht alles weiß, so muss man wenigstens Leute kennen, die das fehlende Eigenwissen ersetzen können. Ich fange meistens dann dort an zu fragen, wo ich in letzter Zeit intensiven Kontakt hatte.
Da steht Mr. Trials.at, Alfred Koch ganz vorne. Eine schnelle Mail, eine ernüchternde Antwort: "Nicht mein Revier!" Oder so ähnlich. "Frag doch Alfred Wagner oder den, der sogar ein Trialmuseum hat. (Hätte ich ja sowieso getan, mein Freund, aber du bist quasi mein Verleger, so hoffe ich, und wirst als Erster gefragt!)
Also bleiben ich gleich bei „A“ und zapfe Mr. A-Classicos Wissen an. Wieder Fehlanzeige, er sei doch noch etwas zu jung für diese Veranstaltung aus dem vorigen Jahrhundert. Und wieder kam der Hinweis auf den „Zirkusdirektor aus Ohlsdorf“. Das ist mein Spitzname für Hartwig Kamarad. (Warum? Das ist wieder eine eigene Geschichte).
Zwischendurch erinnerte ich mich daran, dass mir Arnold Kremlicka einmal erzählt hat, dass er sehr gut sortiert sei mit alten Zeitschriften und Trial-Listen aller Art. Gut, dass man sich das merkt, schlecht, dass ich seine Kontaktdaten nicht hatte. Während ich mich diesbezüglich erkundigte, erhielt ich wie durch ein Wunder von Arnie eine Mail, in der er mir seine Unterstützung zusicherte. Bis Jänner würde er schon etwas finden. Das war einerseits erfreulich, andererseits "bis Jänner" war denn doch wieder eine lange Zeit für mich. Man kann doch diese Bilder nicht noch länger der erlauchten Trialfahrerschaft vorenthalten! Sie waren ja eh schon 35 Jahre lang verschollen gewesen.
Auch aus dem Trialgarten erhielt ich keine befriedigende Antwort zu meinen ursprünglichen Fragen. Wenn ich es richtig verstanden habe, so habe sich auch der Zirkusdirektor nicht mehr so richtig für Trialbewerbe interessiert, nachdem ich meine Stiefel an den Nagel gehängt hatte. Immerhin hatten wir uns ja 7 Jahre lang duelliert. Oder sehe ich das zu persönlich, "mein Bruder"? (Warum "mein Bruder"? Das ist wieder eine eigene Geschichte).
Hans Hutter (Nr 15) und Heinz Schöfbänker (Nr. 11) dank Infos von Joe Wallmann aufgrund der Kleidungsgewohnheiten erkannt. Image. Max Hengl
Kleidungsgewohnheiten
Nun zu meinen 76 Dias und dem eigentlichen Problem. Auf einem davon war mit Filzstift geschrieben „Heinrichs 1981 (Ich machte immer dafür extra verschwommene Bilder, was mir ja sonst nie passieren würde). Bei genauer Betrachtung fand ich heraus, dass zwei verschiedene Startnummern getragen wurden. Und die eine sah mir doch ganz nach Triumphklub aus (ÖAMTC und Castrol). Die zweite war von Raiffeisen gesponsert.
Die Detektivarbeit geht also schon los. Trialonline.org gab mir schöne Listen der WM-Läufe in die Hand, und wenn man herausfindet, dass die Startnummern der WM-Fahrer der Reihenfolge des Vorjahresergebnisses entspricht, so ist man schon ein gutes Stück weiter.
Also die WM 1981 in Spital am Semmering war nicht das große Problem. Vor allem, wenn man so wissende Freunde hat. Aber trotzdem konnten nicht alle Fahrer erkannt werden!
Doch Heinrichs machte mir echte Schwierigkeiten. Wieso fahren da WM-Starter herum, noch dazu mit hohen Startnummern. Waren das Fotos vom WM-Lauf 1982 in Heinrichs? Dazu passten aber die Startnummern nicht, zum Beispiel Eddy Lejeune Nr. 28.
Also frage ich weiter in der Runde meiner alten Kumpels.
Der Wallmann Joe zB. hat mir die Kleidungsgewohnheiten seiner Clubkollegen geschildert und so konnte ich Heinz Schöfbänker und Hans Hutterer identifizieren. Beide auf Bultaco blau, beide mit Laakirchen-Aufkleber am Tank und beide mit Schnauzer!
Archiv-Arnie
Arnie aus Tirol meldete sich lediglich eine Stunde nach der Anfrage und seiner "Jänner-Ansage" mit einer sensationellen Email:
„Aus dem Kopf heraus, ist das erste Bild aus dem Jahr 1981, da Gerhard (Anm.: Wolf) hier eine Sherpa 199A fährt.
Im Youtube-Video von Heinrichs 1982 hat Gerhard eine Sherpa 199b (weißer Rahmen), die ich seit einem Jahr besitze.
Ein Fantic-Fahrer ist Anscheid oder Haaf und Anker Martin ist auch auf einem Bild.
Weiteres demnächst.
Gruß Arnold"
Also hat es auch Arnie gepackt, das Dedektivfieber! Sehr gut, denn dann geht was weiter. Weitere Webseiten wurden durchsucht, alte Ergebnisse gefunden, aber keine Starterlisten.
Die Bilder hatte ich mittlerweile hochgeladen und die Links an die "Suchmannschaft" vorab verteilt. Nun konnte ich nur noch hoffen, dass jemand die berühmte Stecknadel im Heuhaufen findet.
An einem Mittwoch verschickte ich ersmals meine Anfrage,am folgenden Freitag kam bereits die Lösung, Arnold aus Tirol lief zur Hochform auf, er hatte die Nuss geknackt.
"Hallo Max
Bei den Fotos aus Heinrichs habe ich des Rätsels Lösung gefunden!!
Drei Tage vor dem WM lauf in Spital fand ein internationales Trial in Heinrichs statt.
29 Nennungen und 25 gestartete.
Erfreulicherweise komplette Ergebnisliste mit Startnummern in Zeitschrift
Superbike abgebildet.
Hier Startnummern:
2.Gerhard Wolf
3.Ch.Schneider
4 Brager W.
5.Trummer W.
6.Pegam G.
8.Karlson U.
9.Kaiser W.
10.Eräkare J.
11.Schöfbänker H.
12.Claesson H.
14.Luft W.
15 Hutterer J.
16.Hojas H.
17.Eräkare R.
18.Wallmann J.
19.Hager H.
21.Hengstberger
22.Niebuhr M.
23.Subira J.
24 Miquel X.
25.Krahnstöver F.
26. Witthöft Th.
27.Haaf F.
28.Lejeune E.
Emil Jahreis ausfall (Leider keine Nummer)
Grüße Arnold"
Sensationell. In drei Tagen hat Arnie das Problem gelöst. Ich ziehe meinen Hut vor ihm, ich war glücklich! Nun konnte ich die Bilder richtig beschriften, „Heinrichs 1982“ war passe‘.
Wie auf Nadeln sitzend
Für das vollständige Happy-End dieser Geschichte fehlt jetzt nur noch die Ergebnisliste aus Heinrichs 1981. Arnold ist auf Montage und das Warten fällt mir schwer. So kontaktiere ich in "meiner Zeitnot" den lieben Freund aus dem "hintersten" Waldviertel, Andi Pascher. Dieser sagt mir auch gleich eine Suchaktion zu, welche aber leider schon am gleichen Abend mit einer Negativmeldung beendet wurde. Flott sind sie ja, die Trialfahrer. Hedi Wallmann meinte zu meiner darauffolgenden Anfrage nach Obertrum: „Du musst selber kommen und suchen, hier sind so viele Listen und Weihnachten steht vor der Tür!“.
„Ja, liebe Mama, ich komme bald mit Computer und Scanner zu dir, aber ich brauche es jetzt und sofort, da die Geschichte ja eine Vorweihnachtsgeschichte sein soll!“
(Wieso "Mama"? Das ist eine eigene …)
Also Arnie aus Tirol, du bist unsere letzte Hoffnung und kannst Vorweihnachten noch retten.
Die Weisheit des Alters
Und so, liebe Freunde, werdet Ihr in den Genuss einer Menge Bilder aus 1981 kommen. Wann genau weiß ich beim Schreiben dieser Zeilen auch nicht, denn ich bin ja nicht der, der sie veröffentlichen wird. Hier diskutieren nun die Gelehrten. Nein, doch nicht! Der weise Meister der weißen A-Cup-Spur erkannte zuerst, dass es weniger Arbeit bedeutet, einen Link zu veröffentlichen als eine ganze Geschichte, noch dazu eine so lange wie diese.
So bekommt Mr. A-Classico den Vortritt. Alfred, der A-Cup-Meistermacher, wird also diese niedergeschriebene Plapperei ins Netz bringen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Ob es noch eine Vorweihnachtsgeschichte wird, liegt nun in seinem Ermessen. Aber ein kleiner Tipp, lieber Alfred: Rein ins Netz, die Ergebnisliste Heinrichs 1981 wäre doch eine eigene Geschichte wert.
Und so könnte aus einer Vorweihnachtsgeschichte ein Vorweihnachtswunder werden.
Schöne Feiertage, euer Max
PS: Ich habe schon wieder Fotos gefunden. Bis Jänner sollten wir alles wissen….
(Doch das ist eine eigene Geschichte wert).
ff, wenn gewünscht, es sind ja einige Geschichten offen geblieben ;-)
Mediazone:
Arnold Kremlicka hat in seinem Archiv gesucht und gefunden:
Fotosammlung aus dem Archiv von Max Hengl:
Videos zum WM-Lauf in Spital am Semmering: