Sally, Linda und sonstige Liebschaften
Der Museumsdirektor Hartwig Kamarad berichten von seinen Eindrücken vom 50. Fourstroketrial in Brockhöfe, 14.-15. März 2015
Tiefenentspannung
Die Anreise zum 50. Fourstroke Trial von Rudi Munstermann nach Brockhöfe in der Lüneburger Heide ging wie "geschmiert". Ein LKW hatte doch tatsächlich einige hundert Liter Diesel gleichmäßig auf der Autobahn verteilt. Das machte er ganz gut. Wir standen zwei Stunden im Stau an einem Autobahnkreuz, nur noch 150 Km vor dem Ziel. In Anbetracht einer gesamten Anreisestrecke von über 800 km, war das also schon „kurz vor der Haustür“. Sepp der Fahrer, Hubert und ich blieben dennoch "tiefenentspannt ". Diese Unannehmlichkeit war uns egal. Wir hatten aber auch keine andere Wahl und mussten uns so gut als möglich mit der Warterei arrangieren.
Nach dem "check in " im Reiterhof in Brockhöfe ging es zu Fuß auf das Zimmereigelände Munstermann. Am Weg gestand ich meinen Mitfahrern, dass ich eigentlich nicht wegen eines Trials nach Brockhöfe wollte, sondern wegen meiner großen Liebe: Linda.
Ganz zufällig auch ein Trial
Zum Glück gab es "ganz zufällig" auch noch das 2 -Tage Oldtimertrial, mit über 170 Teilnehmern. Rudi Munstermann ist der Erfinder dieses Bewerbs und lenkt auch auch in der 50sten Auflage (!) noch mit festem Zimmermannsgriff die Geschicke. Sogar der leiseste Versuch, den Anweisungen zu wiedersprechen, prallt am Fahrtleiter ab, wie ein Dart-Pfeil an einem Kampfpanzer. .Zur diesjährigen Jubiläumsveranstaltung kamen Gäste aus nahezu allen Ländern Europas von Spanien bis nach Skandinavien, darunter auch insgesamt zehn Österreicher.
Die Regeln der Old Boys
Rudi schanzte mir als " Gruppenführer" die Klasse Old Boys zu. Die Jungs ließen mich gleich wissen: "wir haben keine Brille mit, du schreibst! Wir haben unsere eigenen Regeln und fahren dort wo
wir wollen!“ Das Old Boys Team bestand aus Manni Westermann (85 Jahre), Dalle Westlund aus Schweden (80 Jahre), Joachim Happel (78 Jahre). Mit meinen schwachen 66 Jahren, war der "Trial
Altenpfleger". Eine böse Stimme aus der Schweiz (Der Lehmann Walter war es natürlich) bezeichnete uns gar als „Demenzgruppe“.
Vor dem Start unterhielt ich mich mit dem 75 jährigen Finnen Lars Jahn, den ich schon seit 1973 bei einer Trialveranstaltung kennen lernte. Als Lars einen Sammy Miller Aufkleber auf der Gabelversteifungen meiner Bultaco entdeckte erzählte er mir eine kurze Story. Vor ca. 35 Jahren bestellte er bei Sammy in England genau diesen Ersatzteil. Dabei hatte er Sammy Miller in einem Brief gebeten, die Lieferung als Geschenk zu deklarieren um den Zoll zu sparen. Das Paket kam in Finnland mit einem entsprechenden Brief ( "… in love Sally“) an. Diesen Brief, legte er als Souvenir in einem Buch ab. Und es kam, wie es kommen musste: Viele Jahre später, viel dieser Brief genau vor die Beine seiner Gattin. Für die entrüstete Frage: „Wer ist SALLY?!“ hatte Lars dringenden Erklärungsbedarf. Er scheint das aber gut gemeistert zu haben, die beiden sind noch immer glücklich verheiratet.
Alle in einer, eine für alle!
Ja, getrialt wurde an diesem Wochenende auch. Die Gruppe Old Boys setzte um, was sie angekündigt hatte. Gefahren wurde nach den eigenen Regeln. Für Sektionen, die für diese Herren, die sich
teilweise schon beim Gehen schwer tun, unpassend erschienen, wurden entsprechende Spuren gewählt. Andererseits zeigte jeder in dieser Gruppe, Trialtechniken vom Feinsten. Da wurde gnadenlos eine
Null nach der anderen hingezaubert. Gelernt ist gelernt und an wettkampfmässigem Sportsgeist ließ es kein einziger missen. Aber als die Müdigkeit in die alten Knochen einschlich, wurde der Bewerb
einstimmig als beendet erklärt. Das nennt man dann wohl Weisheit des Alters.
Obwohl die Sektionen großteils bestens für die Old Boys geeignet waren, gab es trotz prominentem und teilweise auch sehr sportlichem Teilnehmerfeld niemanden, der den Bewerb mit Null Fehlerpunkten beendet hätte. Also passte auch der der sportliche Anspruch, obwohl allen Teilnehmern nur eine gemeinsame Spur angeboten wurde.
Wer ist Linda?
Wettkampf und sportliche Ergebnisse waren nicht mein Motiv um die lange Reise nach Brockhöfe an zu treten. Ich nutzte die Gelegenheit, um endlich wieder meine alte Liebe zu treffen, die dann sogar zu mir mit nach Hause fuhr: LINDA!
Linda ist eine Kartoffelsorte, die von einem Saatgut-Multi unwiederbringlich vernichtet hätte werden sollen. Ein rebellischen Bauer aus der Lüneburger Heide widersetzte sich
jeglicher Zwangsbevormundung und hatte trotz Prozessen und Klagen diese Kartoffelsorte Sorte vor dem Verschwinden gerettet. Eine TV Doku mit dem Namen "Alles dreht sich um Linda " berichtete
davon. (Empfehlenswert!) Solche Typen haben meine Unterstützung. Nach jedem Trialbesuch in Brockhöfe kaufe ich einen Sack davon. Ich liebe Linda! So finde ich immer einen guten Grund zu einem
Trial zu fahren.
Der Museumsdirektor