Old Trial Cup, Caglio, Ita
27.-28. März 2010
Mehr als nur ein Bewerb
Vom Winter verweht
Der Winter war lang und kalt. Eine durchgehende Schneedecke, die von Dezember bis März durchgehend das Land bedeckte, machte Trial beinahe unmöglich. Nur einige Hartgesottene zogen auch auf Schnee ihre Spuren und trainierten am gefühlvollen Umgang mit der Gas-Hand. Erst Mitte März zog der Frühling ins Land und ließ mit angenehmen Temperaturen den Schnee schmelzen. Nur ein Wochenende blieb Zeit um die Klassik-Bikes aus der Garage zu holen, zu entstauben und auf schneefreien Untergrund einzustellen und zu testen, bevor es gleich zu Saisonauftakt zu einem Trial-Highlight ging:
Offen für alle
Der 15. Old Trial Cup, in Caglio am Südufer des Como-Sees vom 27.-28. März 2010.
Das Zweitage-Trial bot am Samstag einen Rundkurs von 30km mit 15 Sektionen und am Sonntag einen Rundkurs von 40 km mit 20 Sektionen. Jede Sektion wurde nur einmal befahren. Ausgeschrieben waren Klassen von PRE65 bis hin zur offenen Klasse für moderne Mono-Shocks. Der Veranstalter MC Canzo, unter der Federführung von Eugenio Gatti bewies wie in den vergangenen Jahren, dass es überhaupt keinen Grund gibt, Fahrer von modernen Motorrädern von Klassik-Bewerben fern zu halten. Harmonie und viel Fahrspaß in den klassisch gesteckten Fahrsektionen waren in den Gesichtern aller Fahrer ab zu lesen. Darüber hinaus konnten durch diese flexible Ausschreibung auch viele sog. LuMos (Luftgekühlte Monoshocks) und sonstige Youngtimer in Aktion bewundert werden. Gefahren wurde in drei Schwierigkeitsklassen. Das entsprach der Regelung des italienischen Klassik-Trial-Cup der „FMI TROFEO GRUPPO 5 Trial – Moto d‘ Epoca“, deren ersten beiden von insgesamt acht Tageswertungen in Caglio ausgetragen wurden.
Am Comer See
Der Comer-See befindet sich ca. 45 min. nördlich von Mailand und zieht sich über eine Länge von ca. 51km von Nord nach Süd. Eine im Süden liegende und steil aufragende Halbinsel gibt dem See seine charakteristische Uferlinie, die an einen Mercedes-Stern erinnert. In den Höhen dieser Halbinsel liegt das Bergdorf Caglio auf ca. 800 m Seehöhe und beherbergt gerade einmal ca. 400 Einwohner. Lediglich Wanderer und Radfahrer genießen die Berglandschaft und die Ruhe.
Der Tross der Klassik-Trialer, die hier jährlich einmal Einzug halten, stört dabei keinesfalls. Ganz im Gegenteil, Hotels und Geschäfte sperren extra zu diesem Termin auf, der Start befindet sich mitten am Dorfplatz. Alles läuft ab, als gehörte das zum Dorfleben dazu wie der Kirchengang am Sonntag.
I stragnieri - die Ausländer
Unter den insgesamt 180 Teilnehmern dieser Veranstaltung hat sich in den letzten Jahren eine Gruppe von Österreichern und Schweizern gebildet, die sich dieses Trial-Erlebnis nicht entgehen lassen. Dieses Jahr fanden zusätzlich auch der Allgäuer Friedrich Kössel sowie die britischen Trial-Nomaden George Greenland und Joseph Howells den Weg in den Süden!
Mehr als nur Trial!
Die Faszination an dieser Veranstaltung lag wie immer im Gesamt-Erlebnis des Wochenendes:
Das begann am Beispiel der österreichische Delegation schon mit der Anreise. Einem unausgesprochenen Ritual folgend, trafen sich alle Teilnehmer an der Autobahnstation bei Innsbruck Amrass zum Mittagessen. Sofern die Exekutive keine Drive-Through-Strafen mit sofortigen Penaltys verhängte, ging es meist gemeinsam durch die Schweiz in Richtung St. Moritz und danach über den landschaftlich eindrucksvollen Maloja-Pass um schon am Freitag abend im Hotel das gemeinsame Abendessen zu genießen. Mit „ausschließlich sachorientierten Fachgesprächen“ stimmt sich der Trupp bereits auf die Veranstaltung ein.
Das Abendessen am Samstag mit typischen Spezialitäten aus der Region, zu dem alle Teilnehmer eingeladen wurden, konnte bereits bei Nennung vor dem Bewerb gebucht werden. Hierzu wird eine ausdrückliche Empfehlung ausgesprochen! Wiederum gemeinschaftlich wurde am Montag früh die Heimreise angetreten um in der Schweiz in einer Pizzeria zu Mittag zu essen. Ja, Essen gehört auch zu den wichtigen Dingen im Leben! Jedenfalls sind es nette Rituale, die auch die An- bzw. Abreise zu einem Erlebnis werden lassen und die schönen Erinnerungen an das Wochenende noch verlängern.
Aber auch Trial!
Es wird an diesem Wochenende aber auch getrialt!
Der lange Rundkurs (30 bzw. 40 Km) wurde pro Tag nur einmal befahren und führte meist entlang von Wanderwegen oder kurzfristig auf befestigten Straßen. Spannendende Auf und Abfahrten im Wald wechselten sich mit ruhigen Wiesenwegen ab.
Die Sektionen waren äußerst abwechslungsreich und auf unterschiedlichstem Untergrund gesteckt: Bachsektionen in grobem Geröll mit runden Steinen wechselten Bäche mit scharfkantigem Schiefersteinen ab. Andererseits durften die Fahrer Ihr Geschick auf Waldboden, garniert mit Wurzeln, Baumstämmen und Felsen beweisen. Das Gelände wird optimal genutzt, wodurch ein anspruchsvolles Trial ohne enge Kehren ermöglicht wurde.
Die Sektionen boten drei Spuren. Die Unterschiede waren nicht all zu groß, weshalb die weiße Spur, die als „very easy“ beschrieben wird, vom Schwierigkeitsgrad her mindestens mit der roten Spur im D–Cup zu vergleichen war. 50 bzw. 57 Punkte nach zwei Tage für die beiden Engländer Greenland und Howells in der „very easy-Spur“ gaben hierfür ein anschauliches Zeugnis. Dennoch gab es nirgendwo gefährliche Ecken oder Passagen.
Die Steilheit des Geländes, gerade auch beim Besichtigen, setzte eine gute körperliche Fitness sowie die anspruchsvolle Zwischenstrecke ein entsprechendes Fahrvermögen voraus. George Greenland stufte die Veranstaltung „schwerer als schottish PRE65“ ein.
Findige Trialer legten am Sonntag bei einer Pizzeria, die sich am Rundkurs befand, noch eine Pause ein, in der die Kräfte gesammelt werden konnten. Das gehörte genauso dazu, wie eine vom Veranstalter vorbereitete Pausenstation kurz vor Ende des Bewerbs am Sonntag.
Die Österreicher
Wie die Reaktionen der Fahrer und Zuseher vor Ort aber auch die Kommentare auf der italienischen Trial-Homepage www.mototrial.it zeigte, sorgten heuer die Österreicher mit den mitgebrachten Motorräder sowie die darauf gezeigten Leistungen für Aufsehen.
Allen voran lag der von Otto Richter pilotierte Werks-Prototyp von KTM aus dem Jahr 1976 mit dem 250 cm³ Motor. Das ehemalige Arbeitsgerät von Walther Luft war wohl das meist bestaunte und fotografierte Motorrad. Otto Richter erreichte damit den 4. Platz in der Klasse PRE77 in der Clubman- (=mittlere) Spur.
Da es für PRE65 nur eine „Gentleman“- (=very easy) Spur gab, fuhr Bernhard Weichenberger auf einer Ruttloff-Jawa in der Twinshock-Expert-Klasse (=grüne Spur) mit. Die Trial-Jawa sorgte für so mache erstaunten Blicke. Mit dem erreichten 4. Platz schien sich das Paket von Fahrer und Motorrad immer besser ein zu spielen.
Als „stilo inglese“ (=englischer Stil) wurde der für Heiterkeit sorgende Auftritt von Alfred Wagner beschrieben: Altes Motorrad und Fahrer in Hemd und Sakko. Die BSA Bantam rigid war das erste Starrahmen-Motorrad in der Geschichte dieser Veranstaltung. Um in der Gelben (=mittleren) Spur antreten zu können, startete Wagner in der Klasse PRE77 und erreichte hier den 5. Platz.
In der Klasse Pre65 gewann der ehemalige WM-Fahrer Walter Frei aus der Schweiz. George Greenland erreichte den dritten und Joe Howells den fünften Platz in der Klasse PRE65. Beide Engländer erhielten für die weiteste Anreise vom Veranstalter einen Sonderpreis in Form einer Salami.
Arriveder’ci!
Nur sehr triftige Gründe werden verhindern können, dass ein Großteil der österr. Gruppe auch nächstes Jahr wieder im März in die Berge um den Comer-See fahren, um ein hervorragende Trial-Freizeit-Wochenend-Paket zu genießen.
Alfred, 2010